Brexit – Briten stimmen für EU-Austritt

Kompass Geldanleger

Die Briten haben es doch getan. Am 24. Juni 2016 wurden die Befürchtungen eines „Brexit“-Votums zur Gewissheit. Entgegen jeglicher ökonomischer Vernunft haben sie dafür gestimmt, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten. Mit knapper Mehrheit entschieden sich die Briten für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Diese Entscheidung löste an den Finanzmärkten heftige Turbulenzen aus. Neben den globalen Aktienmärkten wurde insbesondere das britische Pfund in Mitleidenschaft gezogen.

Realwirtschaftlich überschaubare Konsequenzen, finanzpolitisch schwerwiegender
Der anfängliche Schock an den internationalen Kapitalmärkten hat sich in den ersten Stunden nach Öffnung der Europäischen Börsen schon wieder etwas gelegt. Zu Recht, denn zunächst ändert sich fundamental überhaupt nichts. Die Briten haben in den anstehenden Austrittverhandlungen keine starke Verhandlungsposition und werden ganz bestimmt die eine oder andere unverdauliche Kröte schlucken müssen. Außerdem ist das Vereinigte Königreich wirtschaftlich recht unbedeutend, denn es erwirtschaftet ca. 2 Prozent des Welt-Bruttosozialproduktes. Anders sieht es mit der Bedeutung als wichtiger Finanzplatz aus. Die aktuellen Börsenturbulenzen erklären sich hauptsächlich aus der herausgehobenen Position der britischen Hauptstadt am Weltfinanzmarkt.

Die Situation ist historisch ohne Beispiel
An den Aktienmärkten wird es als Reaktion auf einzelne Ereignisse immer wieder zu erhöhten Kursschwankungen kommen. In solchen Zeiten ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass:

  • Kursschwankungen bei langfristig orientierten Kapitalanlagen nichts Ungewöhnliches sind
  • man sollte sich bei Anlageentscheidungen nicht von kurzzeitigen Stimmungen beeinflussen lassen
  • als langfristig orientierter Anleger wird man in der Regel für das mit Aktienanlagen verbundene Risiko belohnt
  • Kurskorrekturen am Markt bringen häufig attraktive Anlagechancen mit sich
  • eine aktive Anlagestrategie kann helfen, Phasen erhöhter Volatilität gut zu überstehen oder Einstiegschancen richtig zu nutzen

Ergebnis des EU-Referendums in Großbritannien

Folgen für die britische Wirtschaft
Die Bank of England hat bereits verkündet, dass das Brexit-Votum das Wirtschaftswachstum
Großbritanniens vermutlich aus folgenden Gründen kurzzeitig belasten wird:

  • verstärkte Unsicherheiten und nachlassendes Vertrauen dämpfen den privaten
    Konsum und die Anlageinvestitionen
  • steigende Risikoprämien an den britischen Anleihemärkten und möglicherweise
    höhere Kreditaufnahmekosten
  • vermehrte Unsicherheiten, Risikoscheu und möglicherweise höhere Finanzierungskosten
    im britischen Finanzsektor

Auf der anderen Seite steht ein schwächeres Pfund, dass den Export stützen dürfte. Zugleich könnte die
Bank of England die Zinsen senken und dadurch die negativen Folgen insgesamt etwas abfedern.

Folgen für den britischen Finanzmarkt
Kurzzeitig sollten Anleger mit Folgendem rechnen:

  • erschüttertem Anlegervertrauen und erhöhten Kursschwankungen am britischen Markt
  • eine weitere Abschwächung des Pfund Sterling zusätzlich zu dem Wertverlust gegenüber dem Euro
  • Abwärtsdruck auf britische Aktien, zumal auf Titel aus dem Finanzsektor und aus Branchen, die
    besonders stark auf EU-Migranten angewiesen sind (z.B. Bau, Gastronomie), sowie nachlassendem  Druck auf britische Unternehmen, die einen Großteil ihres Gewinns in Fremdwährung erwirtschaften
  • eventuell moderatem Aufwärtsdruck auf Renditen britischer Staatsanleihen angesichts
    verstärkter Unsicherheiten, höherer Risikoprämien und der Aussicht auf einen Inflationsanstieg
    wegen des schwächeren Pfunds
  • Aufwärtsdruck auf Renditen britischer Unternehmensanleihen aufgrund der höheren
    Unsicherheit und der kurzzeitig getrübten Aussichten – wie bei Aktien sind auch hier die Risiken für den Finanzsektor am größten
  • möglicherweise ein leichter Rückgang der Immobilienpreise in Großbritannien angesichts des
    Vertrauensverlusts bei Käufern und eines möglichen Anstiegs der Arbeitslosigkeit

Meinung zur Europäische Union

Folgen für Europa
Moderate direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft:

  • Europäische Unternehmen mit umfangreichen Aktivitäten und Vermögenswerten in Großbritannien werden ihre Investitionen möglicherweise drosseln, bis Klarheit über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU herrscht
  • daneben kann die Ungewissheit auch den Handel der EU mit Großbritannien belasten
  • sollten die Auswirkungen für die Wirtschaft als erheblich eingestuft werden, dürfte die EZB ihre Anleihekäufe ausweiten, um so die Gefahr unerwartet negativer Folgen für die Wirtschaft zu verringern

Gewisse Auswirkungen auf die europäischen Finanzmärkte:

  • kurzfristig könnte der Druck auf Aktien zunehmen, vor allem auf solche von europäischen
    Unternehmen mit bedeutenden Einnahmen, Handelsbeziehungen und Anlagen in Großbritannien,
    zumal wenn der Euro steigt
  • an den Anleihemärkten könnten die Renditen der als sicher geltenden Anlagen sinken und die
    Renditen bzw. Spreads von Unternehmensanleihen steigen; wie bei Aktien wäre der Finanzsektor am stärksten betroffen
  • auf längere Sicht könnte das Brexit-Votum den Euroskeptikern Auftrieb geben und Bedenken über das EU-Projekt im Allgemeinen schüren; das würde den Druck gerade auf Vermögenswerte in den Peripherieländern erhöhen

Abschließend kann man sagen, dass die Welt nicht untergehen wird. Die Wirtschaft wird sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Es wird Bereiche oder Regionen geben, die vom Brexit profitieren und Bereiche, die darunter leiden werden. Die politischen Auswirkungen werden erst mit der Zeit klarer werden. Hier sind sicher die Austrittsverhandlungen ein entscheidendes Kriterium. Im Moment scheinen die Brexit-Befürworter selbst keinen Plan zu haben, wie es weitergehen wird. Für die Finanzmärkte heißt dies, dass in der nächsten Zukunft schwankend zugehen wird und sich dadurch interessante Einstiegsmöglichkeiten ergeben werden.

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